Ein "herzerwärmendes" Fest
Wallfahrer sind "Leute für alle Jahreszeiten" - "Kathpress"-Reportage aus Mariazell von Georg Pulling (Kathpress, 23.5.04)
"Herzerwärmend": So lautet das Schlüsselwort zur Beschreibung der abschließenden Jugendmesse der "Wallfahrt der Völker" am Sonntag in Mariazell. Die Witterungsbedingungen - Schneegestöber und eisiger Wind - waren vielleicht noch unfreundlicher als bei der großen Wallfahrermesse am Samstag. Aber die gute Stimmung der Jugendlichen - und der Bischöfe - litt darunter nicht. Die Gemeinschaft der getauften und gefirmten Christen, von der in theologischen Abhandlungen so oft die Rede ist ("Communio"), wurde auf dem Festgelände von Mariazell greifbare Realität.
Kurz vor 11 Uhr setzte heftiger Schneefall ein. Über das Festgelände und die Altarbühne fegte ein eisiger Wind. Trotzdem strömen die Jugendlichen aus dem Zeltlager zur Messe. Bischöfe und Priester bereiten sich im Zelt hinter der Bühne auf die Liturgie vor. Da kommt die Meldung, dass die Messe verspätet beginnen wird - die Musikinstrumente auf der Bühne müssen vor dem Schneefall in Sicherheit gebracht werden.
Spontan beginnen einige Priester zu singen. Bald setzt das halbe Zelt ein. Hundert Bischöfe und Priester stimmen spontan ins "Halleluja" ein. Mitten unter ihnen Kardinal Christoph Schönborn.
Eine Jugendgruppe aus der Slowakei eröffnet schließlich mit einem Tanz den Gottesdienst. Die Stimmung unter den Jugendlichen ist sensationell. "Jetzt erst recht", lautet das Motto. Die Musik-Band hat nur mehr Gitarren und ein Keyboard, umso leidenschaftlicher ist der Gesang. Der Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk, begrüßt die wetterfesten Jugendlichen. Applaus brandet auf. Der Kardinal spricht von einer "einmaligen Wallfahrt".
Zum "Kyrie" gestaltet eine gemischtsprachige Jugendgruppe ein Schauspiel zur biblischen Geschichte vom "verlorenen Sohn". Rockige Rhythmen und melodiöse Klänge wechseln einander ab. "Kalt-warm" ergeht es auch allen Teilnehmern, den Jugendlichen vor der Bühne, den Bischöfen und Priestern auf der Bühne: durchgefroren vom Wind, von innen her von einer "Herzensfreude" erwärmt, wie es "Jugend-Bischof" Franz Lackner schon vor der Messe auf den Punkt gebracht hat.
Der Budapester Erzbischof, Kardinal Peter Erdö, spricht in der Predigt vom "glaubwürdigen christlichen Zeugnis". Die bei dieser Messe ausharren, geben ein "glaubwürdiges Zeugnis". Immer wieder wehen Jugendlichen und Bischöfen heftige Windstöße entgegen. Doch alle bleiben. Und während der Kommunion passiert das Außergewöhnliche. Der Himmel reißt auf, die Sonne kommt zum Vorschein. Symbolträchtiger könnte man die Veranstaltung wohl kaum inszenieren. Zur inneren Wärme kommen auch noch ein paar Sonnenstrahlen hinzu.
Am Ende der Feier, nach zweieinhalb Stunden, überreicht Kardinal Vlk Vertretern der Teilnehmerländer das Evangelium. "Tragt das Evangelium in euer Land, lasst euer Leben davon prägen", gibt er den Jugendlichen mit auf den Weg, bevor er sie mit dem Segen ins neue vereinte Europa entlässt.
Regenschutz wird zu Zeichen der Gemeinsamkeit
"Wallfahrer sind strapazfähig und Leute für alle Jahreszeiten", hatte der Grazer Bischof Egon Kapellari am Freitagabend angesichts der heranziehenden Regenfront im Gespräch mit "Kathpress" gemeint. Am
Samstag konnten die rund 100.000 Gläubigen, die zur "Wallfahrt der Völker" gekommen waren, den Beweis dafür antreten.
Nebel- und wolkenverhangen präsentierte sich an diesem Samstag das Mariazellerland, den schweren Niederschlägen am frühen Morgen folgte ein starker Schnürlregen. Das Thermometer zeigte fünf Grad, als um 11 Uhr der Festgottesdienst beginnt. Kardinal Christoph Schönborn spricht von der Einheit Europas. Die Pilger stellen das bereits dar: Die meisten sind mit dem durchsichtigen Regenmantel aus dem Pilgersäckchen bekleidet. Alle sind schon völlig nass, noch bevor die Bischöfe am Beginn der Messe die Gläubigen mit Weihwasser besprengen. Das tut der starken und tiefen Symbolik dieses Ritus aber keinen Abbruch.
Ein Friedensgruß von Herzen
Bunt gemischt feiern die Pilgergruppen aus ganz Mitteleuropa die Messe mit. Wallfahrer sind nicht nur wetterfest, sie sind auch diszipliniert. Jeder findet Platz. Viele stehen, manche sitzen auf durchnässten Pappkartonhockern, einige knien auch auf der Wiese. Manch einer harrt schon seit sieben Uhr Früh auf dem Festgelände aus. Familien, Jugendliche, viele ältere Menschen, kaum einer will sich während der Messe aufwärmen gehen. Beim Friedensgruß wird deutlich, was ein geeintes und versöhntes Europa bedeuten kann. Man versteht vielleicht nicht, was der Nachbar sagt, aber doch, was er von Herzen
meint.
Ein kleines Kind im gelben Regenmantel ist gerade in den Armen seines Vaters eingeschlafen, da erteilt Kardinal-Legat Angelo Sodano den Schlusssegen. Am Samstag wie am Sonntag herrscht auf dem Festgelände eine Stimmung von gesammelter Fröhlichkeit, die sich mit den schönen Liedern vor allem der Pilger aus den slawischen Ländern auch überall im Städtchen Mariazell ausbreitet. Auf den Gesichtern - den frischen der jungen Leute und den zerfurchten der Älteren, die am eigenen Leib die Auswirkungen der gottlosen Ideologien erlebt haben, von denen Kardinal Schönborn in der Predigt spricht - liegt eine Freundlichkeit und Fröhlichkeit, die das Schlüsselwort "herzerwärmend" verständlich
macht.
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